Werte in der Gestaltung

Best of Print: ein Text über Werte von Prof. Carmen Hartmann-Menzel, Professorin für Designmanagement und -methodik im Studiengang Interaktionsgestaltung
Stromleitungen mit Vögeln von unten gen Himmel fotografiert

Als Lehrende stelle ich mir wiederkehrend die Frage, welche „Werte“ (und deren Dimensionen sind vielfältig) man angehenden GestalterInnen für die Zukunft vermitteln sollte. Zumal in Zeiten der Veränderungen politischer, wirtschaftlicher und bedrohlicher ökologischer Rahmenbedingungen sowie rasanter technischer Entwicklungen, die sich nicht zuletzt auch auf unser Berufsfeld weiterhin auswirken werden.

Der Wertebegriff

Die Ermittlung eines „Wertes“ ist das Ergebnis einer Einschätzung (Vergleich, Gewichtung, Priorisierung, …) und Bewertung: dem Fällen eines Urteils. Die Urteilsfindung kann auf Grundlage objektiver, rationaler oder subjektiver, irrationaler Kriterien erfolgen; kann individueller (=persönlicher) oder kollektiver (=gesellschaftlicher) Dimension sein. Die angelegten Maßstäbe, die die Bewertungskriterien in Relation bringen, bilden ein Wertesystem, das kontinuierlichem Wandel unterliegt (denn wer bewertet, bestimmt Rahmen und Maßstab der Urteilsfindung, was nahelegt, dass Werte veränderbar und damit auch gestaltbar, aber nicht beliebig sind).

Die Ermittlung eines „Wertes“ ist das Ergebnis einer Einschätzung (…) und Bewertung: dem Fällen eines Urteils.

Bedeutung für die Gestaltung

Als GestalterInnen treffen wir im Entwurfsprozess immer wieder Entscheidungen, die nicht uns persönlich, sondern eine Vielzahl von NutzerInnen und darüber hinaus weitere Menschen betreffen. Für „gute“ (was immer das konkret im Einzelfall heißt, ist zu bestimmen und sollte im Ergebnis nachhaltig und dem Anwender dienlich sein) Entscheidungen benötigt man Urteilsvermögen, also die Fähigkeit, auf Grundlage definierter Kriterien (qualitativ, quantitativ), Bewertungen gegeneinander abzuwägen und Entscheidungen nachvollziehbar argumentieren und begründen zu können – alles andere ist lediglich eine Meinung.

Die Aufgaben in der Gestaltung haben sich in den letzten Jahren verändert und erweitert: Nicht ausschließlich die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen spielt eine Rolle, sondern auch strategische Fragestellungen, Entwicklung von Geschäftsmodellen, Organisation von Arbeits- und Veränderungsprozessen, Aspekte von Unternehmens- und Innovationskultur sowie die Moderation zwischen verschiedenen Stakeholdern und Rollen etc. sind in den Betrachtungswinkel und damit den Aufgabenbereich von GestalterInnen gerückt. Das stellt natürlich nicht nur in Bezug auf unsere Fähigkeiten und Vorgehensweisen, sondern auch hinsichtlich Werten entsprechende Anforderungen an uns: Wir müssen unser (individuelles oder kollektives) Wertesystem hinterfragen, kalibrieren und an sich verändernde Rahmenbedingungen anpassen (also gestalten), um urteilsfähig zu sein; um möglichst gute Entscheidungen treffen und wünschenswerte Ergebnisse erzielen zu können.

Als GestalterInnen treffen wir im Entwurfsprozess immer wieder Entscheidungen, die nicht uns persönlich, sondern eine Vielzahl von NutzerInnen und darüber hinaus weitere Menschen betreffen.

Es gibt genug Probleme, die gelöst werden müssen, und denen müssen wir auf den Grund gehen. Die x-te, möglicherweise kurzlebige, oberflächliche Variante einer funktionierenden Lösung gehört nicht dazu (man erzeugt damit keinen entscheidenden „Mehr-Wert“; Ergebnisse dieser Art haben in der Regel weder wirtschaftlich noch ökologisch nachhaltigen Bestand – sie werden schlichtweg nicht gebraucht). Sondern wir müssen Gewohntes und Etabliertes in Frage stellen, neu und anders denken (vgl. beispielsweise ein Thema wie die „Verkehrswende“, die aktuell in erster Linie eine technologische, aber keine systemische Diskussion darstellt). 


Der Standort bestimmt die Sichtweise und wer anders denken will, muss seine Komfortzone manchmal verlassen, um die „richtigen“ Fragen stellen zu können. Und dabei akzeptieren, dass ein Gestaltungsprojekt zwar nie zu einer perfekten Lösung führt, aber „besser“ sein muss. Um zu bestimmen, was dieses „besser“ ist, braucht es entsprechende Werte als Grundlage, die wir gemeinsam mit anderen Stakeholdern verhandeln und bestimmen müssen.

Es gibt genug Probleme, die gelöst werden müssen, und denen müssen wir auf den Grund gehen. Die x-te, möglicherweise kurzlebige, oberflächliche Variante einer funktionierenden Lösung gehört nicht dazu.

Fazit

Neben Prozess- und Methodenkompetenz sowie gutem Urteilsvermögen sind also weitere Aspekte für die Gestaltung unserer Um- und Lebenswelt wertvoll, die uns neue Perspektiven und alternative Denkrichtungen erlauben. Dazu gehören u.a. Qualitäten wie Empathie, Veränderungswille, Passion, Begeisterung, Forschergeist, Neugierde, Durchhaltevermögen, Zweifel, Zufall, Offenherzigkeit, Fantasie, Respekt, Verbindlichkeit, Fehlertoleranz, Aufmerksamkeit, Sensibilität, Leidenschaft, … oder auch „Haltung“.

Einfacher ausgedrückt: Tut, was Ihr liebt und liebt, was Ihr tut; seid gut im Sinne des Guten; werdet hellhörig, wenn allzu einfache Antworten auf komplexe Fragen angeboten werden. So lässt sich vielleicht nicht abschließend, aber doch in Ansätzen herausfinden, welche Werte und Maßstäbe wichtig sind, wie und in welchem Maße sie sich – heute und in Zukunft – gestalten sowie in größere Zusammenhänge einsortieren und nicht zuletzt vertreten lassen.

Empathie, Veränderungswille, Passion, Begeisterung, Forschergeist, Neugierde, Durchhaltevermögen, Zweifel, Zufall, Offenherzigkeit, Fantasie, Respekt, Verbindlichkeit, Fehlertoleranz, Aufmerksamkeit, Sensibilität, Leidenschaft, … oder auch „Haltung“.

Ich bin Prof. Carmen Hartmann-Menzel

Portrait einer lächelnden Professorin mit Brille und kurzen braunen Haaren auf einer grünen Coach

Name: Prof. Carmen Hartmann-Menzel

Alter: 46

Wohnort: Dinkelsbühl

Beruf: Gestalterin digitale Medien / UX + Professorin Interaktionsgestaltung

Hauptcharakterzug: Wissbegierde

Lieblingsschrift: FF Info

Lieblingsfarbe: orange