Theme Park Design als Berufsfeld
Was steckt eigentlich hinter dem Begriff Theme Park Design und warum ziehen uns diese geschaffenen Welten durch Design und Storytelling so stark in ihren Bann? Welche Methoden spielen eine wichtige Rolle während des Designprozesses, und welche Besonderheiten gibt es in diesem Berufsfeld? Und wie kommt man eigentlich zu diesem Beruf?
Um bessere Einblicke in die Arbeit der Theme Park DesignerInnen zu erhalten, wurde Daniel Kerscher, der seit den frühen 2000ern in diesem Bereich arbeitet, interviewt. Aktuell arbeitet er bei MackNeXT, ein Tochterunternehmen aus dem Hause Mack, besser bekannt als die Gründerfamilie des Europa Parks.
Daniel Kerscher - Themed Entertainment Designer
Es beginnt mit einem Mann in der MidLife-Crisis. Ein Mann, der eigentlich alles erreicht hat und sich bewusst wird, dass er nie wieder etwas so Großartiges schaffen könnte wie Schneewittchen von 1937.
Dieser Mann hieß Walter Elias Disney.
Nachdem Walters Arzt ihm einen Urlaub aus der Hektik des Arbeitens verordnete, begann der Pionier an einer neuen Idee zu grübeln. Er wollte einen Ort schaffen, weit ab von lieblosen Hochgeschwindigkeitsattraktionen und gruseligen Schaustellern der Jahrmärkte. Einen Ort, an dem BesucherInnen in die Geschichten eintauchen konnten, die bislang nur auf Papier und Leinwand zum Leben erweckt wurden. Mit diesem Grundsatz wurde Disneyland geboren und damit auch die Industrie der Theme Parks.
„Mir ist klar geworden, dass ich nie wieder Etwas hervorbringen werde, dass an Schneewittchen heran reicht.“
Was ist denn überhaupt Theme Park Design?
Im Prinzip ist Theme Park Design gebautes Design, also eine Art Set Design, das uns erlaubt die BesucherInnen in eine Welt zu entführen und einzubinden, egal wie die Storyline ist. Wir gestalten für vielfältige Thematisierungen, welche sich sowohl in Science Fiction oder im alten Paris, bis hin zu Phantasiewelten oder der Antike abspielen. Man schafft quasi die Welt um die BesucherInnen herum. Und das Schöne, speziell im Vergleich zu anderen Designdisziplinen ist, es wird gebaut und man kann später durch die gestaltete Welt laufen. Und man erlebt eben auch, wie die BesucherInnen darauf reagieren. Das ist ein unglaublich spannendes Feld.
In welchen Gestaltungsbereichen spielt sich der Beruf ab?
Theme Park Design, das umfasst so viel. Du musst dich auskennen mit Grafik, du musst dich auskennen mit Kunst und Kunstgeschichte. Du musst ja in der Gestaltung je nach Projekt wirklich jede Epoche abdecken können. Du bist involviert in die Geschichtenentwicklung, also Storylines und Charakterentwicklung. Natürlich musst du auch über Architektur Bescheid wissen und Pläne lesen können. Welche Materialien kann ich nutzen, welche sind teuer oder billig, wie ist die Haptik. Es ist also ein sehr umfassender Design Job von der ersten gezeichneten Idee bis zur Fertigstellung des Baus. Du machst eben, nicht wie beispielsweise viele Webdesigner, die eine Website nach der Anderen machen, immer sehr unterschiedliche Projekte mit den verschiedensten Themen und Aufgaben.
Wie lange gibt es den Beruf schon?
Also ich sag jetzt mal von der Geschichtsentwicklung so wie ich sie kenne, ist Walt Disney auf jeden Fall federführend, da er ja auch 1955 die Idee hatte Disneyland zu bauen. Klar gab es ältere Parks wie zum Beispiel Tivoli in Kopenhagen, der auch Walt Disney inspiriert hat. Er hat die Idee quasi verfeinert und mit dem richtigen Businessgedanken auf eine neue Ebene gebracht. Weil er gesagt hat ok, ich nehm jetzt meine Zeichner aus den Animationsfilmen und sage, passt mal auf, wir machen jetzt nicht nur Schneewittchen, sondern ich will, dass die Leute da durch gehen können. Also nimmt er die Leute, die für die Animationen zuständig waren und sagt, wir bauen das jetzt. Und so kam dann die Idee diese Geschichte erlebbar zu machen. Das heißt, dass da nicht nur einfach eine Achterbahn hin gestellt wird, sondern das Ganze so in eine Geschichte zu verpacken, sodass die ganze Geschichtsentwicklung vorher auch schon eine ganz eigene Attraktion ist. Und wenn man sich jetzt neuere Attraktionen wie Star Wars Galaxy Edge anschaut, ist das ein Unterhaltungslevel auf unglaublich vielen Ebenen, das hat dann nichts mehr damit zutun, dass nur eine schöne Fassade gestaltet wird.
Zunächst muss die Idee entwickelt werden. Hierfür werden meist zwei bis drei Ideen durchdacht und dann mit den wichtigen Stakeholdern diskutiert. Oft werden hierfür schon kleine Skizzen angefertigt, um die Ideen besser präsentieren zu können. Im Fall des Europaparks ist es wichtig, dass die Ideen sich gut in die bestehenden Themenbereiche eingliedern. Zum Beispiel musste für den Umbau des Eurosat Coasters ein neues französisches Thema gefunden werden. Letztendlich fiel die Wahl auf eine Thematisierung gemäß des Pariser Moulin Rouge.
Bei der Masterplanung arbeiten DesignerInnen, ArchitektInnen und IngenieurInnen daran, die Rahmenbedingungen der Anlage zu planen. Wie groß ist die Attraktion? Wie lange muss die Warteschlange sein? Was ist baulich möglich? Gibt es sicherheitstechnische Richtlinien? Am Ende entsteht hierbei ein architektonischer Plan.
Die Warteschlange soll durch verschiedene Räume führen. Diese sind in verschiedene Szenen aufgeteilt und durchaus story-relevant. Die GestalterInnen machen Skizzen und definieren so die Storyabschnitte der Attraktion. In der folgenden Grafik ist eine Szene des Eurosat-Cancan Coasters im Europa Park dargestellt. In der Szene sollen BesucherInnen durch den Eingangsbereich des Moulin Rouge geführt werden.
Storytelling im Theme Park Design
Ein einfacher Wartebereich ohne weitere Thematisierung ist für BesucherInnen der Attraktionen langweilig. GestalterInnen versuchen den BesucherInnen schon vorab eine Geschichte zu erzählen und sie in die richtige Stimmung zu versetzen. So wird aus einer zwei Minuten Achterbahnfahrt ein 30 bis 60-minütiges Erlebnis.
Die Attraktion wird in ein 3D Modell überführt. Für diesen Schritt sitzen GestalterInnen und ArchitektInnen zusammen, um die einzelnen Räume an die Story anzupassen. Am Beispiel des Eurosat-Cancan Coasters führt die Warteschlange durch das Atelier eines Künstlers. Das Atelier soll Dachschrägen besitzen. Diese Eigenschaften müssen dann im Modell berücksichtigt werden, da es als Grundlage für weitere Gestaltung dient.
Um später ein perfektes Abbild der entwickelten Ideen zu schaffen ist eine Recherche zu Materialität und visuellen Elementen notwendig. Oft werden auch Moodboards angelegt.
Reise nach Paris
Damit der Cancan Coaster eine reale Optik und Haptik bekommt, sind die GestalterInnen des Europa Parks nach Paris geflogen und haben live im Moulin Rouge Recherche betrieben.
Die DesignerInnen bekommen von den ArchitektInnen die genauen Wandabwicklungen. Diese werden nun passend zur Geschichte, dem Setting und der zeitlichen Einordnung gestaltet.
ArchitektInnen, IngenieurInnen und HandwerkerInnen bauen die Attraktion gemäß der Pläne und der ausgestalteten Wandabwicklungen. Die DesignerInnen überblicken dabei den Bau, um zu gewährleisten, dass sich bei der Umsetzung alle an die Designvorlagen halten.
sehen, hören, fühlen
in Welten eintauchen
Wie kamst du denn zu dem Beruf?
Ursprünglich habe ich in München Grafik Design studiert. Damals wurde auf das handwerkliche Zeichnen noch mehr Wert gelegt. Und so habe ich als Animationszeichner in einem Münchner Studio angefangen. Mein Kickoff war allerdings Space Mountain in Paris 1995. Dort steht im Disney World Paris eine Neuentwicklung vom Original Space Mountain in Anaheim, Kalifornien, im Themenbereich Tomorrowland. Diese Attraktion haben sie in Paris auch gebaut mit dem Thema: Jules Vernes Reise zum Mond, also ein französisches Thema.
Da habe ich Space Mountain gesehen und das hat mich so geflasht. Das weiß ich noch bis heute. Ich hatte wirklich Gänsehaut am ganzen Körper. Damals waren sie mit dem Steampunk Setting einzigartig und schafften eine Neuheit, heute macht Steampunk ja jeder. Die Achterbahn wird hoch geschossen, die Kanone geht zurück und überall war Rauch. Es war einfach klasse. Ich bin das Ding in 3 Tagen bestimmt 50 mal gefahren. Und da dachte ich mir irgendjemand muss das Ding doch bauen, wer macht sowas? Und lustigerweise habe ich kurz nach meiner Rückkehr im Fernseher eine Doku über den Bau von Space Mountain angeschaut und da bin ich mit dem Begriff Imagineering und Theme Park Design zum ersten Mal in Berührung gekommen. Und ab dem Moment wusste ich:
Das mach ich!
by
Zino Scheers
Weit entfernte Welten und Fantasieräume, die greifbar und real sind, werden zum Gegenstand einer massiven Industrie. Es gibt mehr als 400 Vergnügungsparks in den USA und 300 in Europa. Allein Disney hat 2018 20,29 Milliarden Dollar mit seinem Segment für Theme Parks und Resorts verdient.
Die besten Theme Parks sind eine perfekte Nachahmung der Umgebung, die sie neu zu erschaffen versuchen. Durch das Anregen aller Sinne verschwimmen die Grenzen zwischen Fantasie und Realität und es entsteht eine unvergessliche User Experience.
...eine unvergessliche User Experience.