wach

Ein Selbstexperiment.
Alicia Link

Ich bin 39 Stunden am Stück wachgeblieben und habe alles oder zumindest das meiste davor/danach/währenddessen dokumentiert. Start der Aufzeichnungen ist an einem Donnerstag im Bahnhofsgebäude der HfG.

Moment – bevor es losgeht – hört ab und zu auf euren Körper. Jede:r von uns hat einen Rhythmus, nach dem wir funktionieren und man tut sich selbst einen großen Gefallen, wenn man ab und zu ein bisschen darauf achtet.
Warum habe ich das gemacht? Aus Neugierde. Da, wo ich herkomme, nennt man diese Eigenschaft “wonderfitzig“. Und das bin ich – dafür gehe ich jedes Risiko ein und mache selten Kompromisse.
Wer sollte das lesen? Jede:r der mag. (Und wenn ihr einschlaft, völlig okay, ich bin pro Schlaf!)

Donnerstag

Der Raum im Bahnhofsgebäude ist in warmes Licht getaucht, es ist Nachmittag, mir ist warm. Die Stühle sind nicht niedrig genug für den Tisch oder der Tisch nicht hoch genug für die Stühle. Kann auch sein, dass meine Beine zu lang sind, jedenfalls stoßen meine Knie immer an die Kante. Wir sitzen in der Runde bei Michael und besprechen unsere Projektideen für dieses Semester. Die Konzentration ist bei den meisten schon dahin, verhaltenes Tippen auf Laptop-Tastaturen ist bis auf die angespannte gebeugte Haltung das einzige Lebenszeichen, das der ein oder andere zeigt. Ich stupse mein Skizzenbuch, welches vor mir auf dem Tisch liegt und versuche gedanklich nicht abzuschweifen. Mein Hirn tut sich schwer, der Diskussion zwischen Michael und Tim zu folgen. Das Gespräch endet und ich komme mir irgendwie blöd vor, weil ich kaum etwas über Energiegewinnung weiß und versuche mein schlechtes Gewissen darüber niederzukämpfen. Das ist eigentlich ein gesellschaftlich relevantes Thema und ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen soll zu denken.

Dann ist Marco dran. Was er sagt, schmeißt alle Maschinen in mir wieder an. Ein Selbstexperiment – Marco will 36 Stunden wach bleiben, Reaktionszeit und Kraft stündlich messen und die Daten dieses Experimentes visualisieren. Ich habe nur einen Gedanken: “Da will ich mitmachen!”. Mich interessiert, was mit mir passiert und ob ich meinem natürlichen Rhythmus irgendwie entgehen kann. Ich habe Lust, mein Zeitempfinden auf eine andere Weise zu entdecken. Außerdem kann Marco die Daten gut gebrauchen.

Freitag

Die Fahrt nach Hause und die kurze Vorlesung am Vormittag überschattet den gestrigen Plan. Ich packe den Rucksack für ein Wochenende bei meinen Eltern voll und dann geht es raus aus Gmünd.

Samstag

Meine Schwester verzieht das Gesicht. „Da gehen Hirnströme kaputt.“ Ihr Ton ist anklagend. Sie macht sich Sorgen um mich. Das schätze ich, aber ich will nichts davon hören. Mein Entschluss ist gefasst, mein Interesse zu groß. Ich will herausfinden, was mein Hirn unter Schlafmangel kann oder nicht kann.

Sonntag

Zurück in Gmünd. Ich beschäftige mich mit meinen Projekten und schleiche in der leeren Wohnung herum. Mein Abendessen beschränkt sich heute auf eine Instant-Nudelsuppe. Ich denke über das kommende Wochenende nach und rechne im Kopf nach, wann das Experiment theoretisch endet. Kurz hinterfrage ich meine Entscheidung aber schüttle alle Zweifel wieder ab. Meine Mitbewohnerin kommt nach Hause, sie ist fix und fertig von einer 4-stündigen Zugfahrt. Wir verabschieden uns ins Bett. Ich bin ein bisschen fertig, im Moment kann ich mir nicht vorstellen, 36 Stunden wach zu bleiben.

Montag

Katharina sitzt bei mir auf dem Sofa. Wir organisieren unser Projekt, Katrin ist per Zoom dabei. Ich erzähle den beiden von dem Experiment. In diesem Moment entsteht auch die Idee, diesen Artikel in der format+ zu veröffentlichen. Ich fange an, meine bisherigen Notizen ernsthaft zu sortieren.
Kathi empfiehlt mir, mich in die Sonne zu stellen, wenn es sich während des Experimentes ergibt. Licht und vor allem Sonnenlicht spielen bei dem ganzen eine riesengroße Rolle. “Wir Menschen funktionieren nach dem Rhythmus der Sonne.”, sagt sie.

Dienstag

Marcos Nachricht: “Hey vorhin noch ganz vergessen zu fragen. Passt das am Freitag mit den 36h? ich hab alle Messgeräte da also steht nichts mehr im Weg.”

Mittwoch

Ich muss morgen dringend mit Marco über die Messgeräte und die Idee, das alles hier aufzuschreiben, reden. Ich hoffe, wir rutschen wieder in einen einigermaßen gesunden Rhythmus nach dem ganzen Irrsinn. Andererseits freue ich mich. Der Tag des Experiments rückt näher.

Donnerstag

Ich halte Marco mittels einer komischen Geste, die am ehesten einem Winken ähnelt, im Flur auf. Wir planen lose den Freitag.
An der Hochschule findet da der Laternenlauf statt, wir entscheiden uns wenn, dann für eine spontane Teilnahme, ganz abhängig vom Wetter.
Marcos Idee, Pizza zu backen, findet natürlich Anklang bei mir. Ich packe im Kopf den Rucksack für Freitag. Mein Laptop muss mit, wir wollen versuchen zu arbeiten. Das iPad auch und ohne mein Skizzenbuch verlasse ich das Haus sowieso nicht. Zusätzlich überlege ich mir, was ich zum Essen beisteuern könnte. Die Wahl fällt auf ein Rezept für einen Nudeleintopf, der ziemlich einfach ist und gut schmeckt. Wir werden uns morgen nach meiner Rückfahrt von Stuttgart nach Gmünd noch zum Einkaufen treffen, damit wir das Wochenende über versorgt sind.

Marco ist einverstanden, dass ich alles veröffentlichen werde.

Der Abend vor dem Experiment.

Echt irre, wenn ich darüber nachdenke, dass ich gleich acht Stunden schlafen werde und dann ganz lange nicht mehr. Ich bin mir etwas unsicher, aber ich habe wirklich Lust es auszuprobieren. Schlafen kann ich dann leider erst um 23:30 Uhr.

Freitag

Wir haben vormittags noch einen Termin in Stuttgart. Als Kathi und ich Katrin in der U-Bahn treffen, um gemeinsam zum Shooting zu fahren, kommt mir der kommende Abend immer surrealer vor.

Ich bin um 14:00 Uhr zurück in Gmünd.
Wir kaufen ein. Ich treffe Marco beim CityCenter und wir streunen durch den Tegut. Ich hole Zuhause meinen Rucksack, dann laufen wir in Richtung von Marcos WG. Die Einkäufe werden verstaut und wir diskutieren über den Laternenlauf. Ich habe mein Einmachglas eingepackt, Marco will aus Karton etwas zaubern. Dann instruiert er mich in die Welt der Messgeräte. Der Kraftmesser misst, wie viel Kraft man theoretisch hochheben könnte. Zusätzlich wird mit einem allzu bekannten Gerät Blutdruck und Puls gemessen. Die Reaktionszeit kann mittels einer sehr einfachen Methode gemessen werden. Zu finden unter: arealme.com/reaction-test/de man klicke mit der Maus nur dann, wenn der Knopf grün wird. Die ersten Runden laufen, unsere Tabelle mit unseren Messdaten ist noch ziemlich leer. Am Samstag um Punkt 22:00 Uhr wird jede Lücke allerdings gefüllt sein.
Wir kochen zusammen die Nudeln. Nach dem Essen geht mein Blutdruck in die Höhe, alles andere bleibt relativ stabil. Ich bin neidisch, wie viel Kraft Marco hat. Kurz nach 18:00 Uhr packt Marco die Geräte, Tasse und Tonpapier in den Rucksack und wir verschwinden Richtung Hauptgebäude. Das Basteln der Laternen für den Laternenlauf in kleiner Runde wird prima durch heißen Punsch ergänzt. Alkohol und Engerydrinks sind tabu für uns. Die würden die Werte verfälschen.
Die anderen haben viele Fragen: "Was macht ihr denn dann den ganzen Tag?", "Was esst ihr?" und "Seid ihr verrückt?" – Kurz denken wir darüber nach, ob wir das Häufigkeitsaufkommen zu diesen Fragen evaluieren sollten – wir lassen es. Der Lauf durch die Stadt bleibt weitgehend trocken, später auf dem Rückweg nieselt es etwas. Die Aula füllt sich, die Atmosphäre ist entspannt. Wir bleiben bis um kurz vor 12. Zwischendurch wird zu jeder vollen Stunde gemessen. Die anderen dürfen auch probieren, das Blutdruckmessgerät fällt fast nicht auf aber diejenigen, die es bemerken, haben Fragen. Das Messen der Reaktionszeit stellt nur dann eine Hürde dar, wenn man nebenher versucht, sein Tun zu erklären.
Die meisten unserer Kommilitoninnen haben einige Becher Glühwein intus. Wir halten uns weiter an den Punsch und die Lebkuchen. Normalerweise würde der Abend anders verlaufen. Mir fehlt ein bisschen die Sicherheit von ein paar Stunden mit Glühwein im Bauch und danach einem warmen Bett. Ich hoffe nur, dass ich nicht durch den Schlafmangel pampig werde, das wäre Marco gegenüber nicht gut.
Als sich die Veranstaltung langsam auflöst, verabschieden wir uns und laufen zurück zur WG. Es ist kalt und es nieselt.

Zuhause bereiten wir Pizzateig vor. Er muss relativ lange im Kühlschrank gehen und dann Mittags nochmal, bevor er ausgebacken wird. Ich stelle fest, dass ich mich in der WG-Küche immer besser zurechtfinde und komme mir weniger wie ein Fremdkörper in einem geschlossenen Organismus vor. Wir unterhalten uns währenddessen über alles mögliche und den Plan für den Abend.
Zurück im Wohnzimmer startet Marco meiner Bitte nachgebend einen kurzen Versuch, mir Yo-Gi-Oh! beizubringen, es ist aber zu komplex auf die Schnelle. Marco rattert den Spielzug herunter als wäre es nichts aber mit meinem großen Unwissen können wir nicht spielen. Wir steigen auf mein neues Lieblingsspiel um: Set. Innerhalb von fünf Minuten hat Marco die Regeln verstanden. Wir spielen zwei Runden. Zu zweit macht Set nicht ganz so viel Sinn aber es macht Spaß. Wir essen gegen eins, halb zwei den Rest der Nudeln. Dabei fällt mir auf, dass es rein rechnerisch schon Samstag ist.

Samstag

Es ist seit ein paar Stunden Samstag und wir rutschen in einen Rhythmus der aus Messen, Tee kochen und Filmschauen besteht.
Wir haben ein klares Muster: Marcos Wecker klingelt/ ich schäle mich aus meiner Weste, die ich als Wolldecke umfunktioniert habe/ Marco geht zum Schreibtisch und beginnt mit den Messungen/ ich schalte den Wasserkocher ein und gehe auf die Toilette/ gieße anschließend Tee auf/ Marco ist fertig mit Messen/ ich bin dran.
In der Wohnung ist es kalt, aber der Tee hält warm. Mein Zeitgefühl kommt mir vollkommen abhanden. Die Stunden vergehen schneller als ich dachte, der regelmäßige Takt hilft dabei sehr.
Inception geht immer – deshalb haben wir uns für diesen als unseren ersten Film entschieden. Ich führe eine sehr ausführliche Liste meiner absoluten Lieblingsfilme, aber das meiste ist auf den verfügbaren Streamingdiensten nicht verfügbar. Thematisch passt der Film ja auch irgendwie.

Kurzer Tiefpunkt von halb fünf bis knapp um sieben. Marco döst kurz weg, als Robert Fischer in der untersten Traumschicht den Safe öffnet. Kurz denke ich darüber nach, meinen Kommilitonen anzustubsen und damit zu wecken, aber lasse es dann, weil er sich nach fünf Minuten wieder rührt. Die Müdigkeit lässt alles langsamer laufen. Ich schüttle immer wieder den Kopf ganz wild, um mich wach zu halten. Dann messen wir wieder. Die Bässe aus dem Soundtrack klingen durch die Lautsprecher. Das künstliche Licht wirkt grell. Marco hat zwei Softboxen im Raum installiert. Am Anfang hat es mich irritiert – jetzt bin ich froh, dass sie da sind. Wäre es dunkler, würden wir sofort einschlafen.

Wir messen wieder, ganz langsam wird es Tag. Unser Gesprächsfluss ist quasi nur noch ein dünnes Rinnsal.
Wir beschließen zu zeichnen und schauen uns nebenbei Videos mit Torsten Sträter an. Wir lachen. So wach sind wir tatsächlich noch. Ich schaffe es, zwei Zeichnungen zu machen und teste Forger. Bin ganz zufrieden und meine Finger erinnern sich offensichtlich noch an das, was sie sonst auch so tun.
Ich fühle mich, als würde die Welt auf dem Kopf stehen. Das Wetter ist diesig und die Sonne ist nicht zu sehen. Es sieht quasi so aus, wie bei unserer Ankunft gestern Nachmittag. Das irritiert mich am meisten gerade. Immerhin. Wir sind wach und das Schlimmste scheint überstanden.

Um 9 Uhr ziehen wir los Richtung City Center. Meine WG ist gar nicht so weit weg und trotzdem will ich nicht nach Hause und mich einfach ins Bett legen. Es fühlt sich an, als wäre ich gerade nicht wirklich ich. Das Denken ist ziemlich schwierig und macht auch das Reden nicht einfach.
Die Verkäuferin in der Bäckerei packt mir alles in einzelne Tüten ein. Kurz diskutiere ich mit Marco auf dem Rückweg darüber. Wir sind uns einig, dass die gute Frau auch alles in eine Tüte hätte packen können, außer: Die Mohntasche.
Zuhause machen wir Frühstück. Ich hatte unglaublichen Hunger, was das Brötchen und Croissant gut auffangen konnten. Gerade würde ich alles für einen Kaffee tun. Egal welche Form, kalt oder warm, das Frühstück ist entspannt und ein Kaffee würde das abrunden. Ich lenke mich ab, indem ich Marco ausführlich in meine Frühstücksgewohnheiten einweise. Kurz: Nutella als untere Schicht, Marmelade drüber. Hier wird nur Erdbeere oder Himbeere akzeptiert. Alles andere finde ich blöd.
Ich brösele meinen Platz voll. Irgendwas ist echt immer.
Mir kommt es so vor, als würde die Welt da draußen überhaupt nicht existieren, es gibt nur diese Wohnung mit dem grünen Wohnzimmer.

Wir gehen zurück auf das Sofa und sehen uns einen anderen Film an. Ich bin allgemein ein bisschen durcheinander und körperlich kaputt. Zuerst hatte ich Angst vor Kopfschmerzen, aber bisher sind keine aufgetaucht.
Ich mag den Anime, den Marco vorgeschlagen hat. Irgendwie passt er gerade auch besser als ein Spielfilm. In solch einem funktionieren die Leute „normal“. Das wäre uns zu wenig ähnlich. Die Messwerte zeigen: Meine Kraft nimmt deutlich ab. Ich ärgere mich ein bisschen darüber. Die Werte meiner Reaktionsgeschwindigkeit bleiben halbwegs stabil. Der Teig muss aus dem Kühlschrank. Ich bin gespannt auf heute Abend. Wir kochen asiatische Nudeln und der Ablauf in der Küche funktioniert, aber die Tasse mit dem Tee, die ich stündlich neu befülle, kann ich kaum abstellen. Sie ist zu einer Konstante für mich geworden. Außerdem überlasse ich Marco zum Großteil das Feld, es ist ja auch sein Rezept. Ich schaue mir stattdessen den Teig in den Schüsselchen an und schneide ein bisschen Gemüse. Das Essen ist der Hammer. Wir reden kaum, ich glaube Marco geht es gerade wie mir – essen und nicht viel denken. Denken strengt an und bringt nicht viel.

Die Sonne lässt sich immer noch nicht blicken. Wir räumen auf, ich mache mir langsam Gedanken über den Teevorrat in der WG. Zurück im Wohnzimmer können wir gleich pünktlich zur vollen Stunde messen.
Wir sitzen auf dem Sofa und quatschen über alles Mögliche und weniger über das Experiment. Unsere Projekte und Kommilitonen*innen beschäftigen uns. Ich habe den Eindruck, wir werden wieder wacher. Die Werte zeigen nicht gerade ein befriedigendes Ergebnis, was meine Kraft angeht und wir schalten den nächsten Film ein. Die Softboxen sind aus. Ich habe den Eindruck, hinter uns wird das Licht ein bisschen heller, aber nicht stark. Der Film läuft. Der Rhythmus stellt sich wieder ein und der Biomüll füllt sich mit rosa-roten Teebeuteln. Die Tabelle füllt sich mit Werten. Wir organisieren kurz den bevorstehenden Abend. Gast beim Pizzaessen wird Merlin sein.
Der Film läuft weiter und plötzlich merke ich, dass ich der Handlung zwar folgen will, es aber nicht mehr kann. Der Sekundenschlaf kann nur durch die Messroutine unterbrochen werden. Jetzt könnte ich mich einfach zusammenrollen und einschlafen.
Es klingelt um 17:13 Uhr. Merlin. Er durchbricht unser Vakuum und auf einmal werde ich daran erinnert, dass draußen die Welt ganz normal funktioniert hat. Nur wir irgendwie nicht. Wir quatschen, messen (Merlin darf natürlich auch mal) und dann wird im vorgeheizten Ofen Pizza gebacken.
Ich merke, dass es schwierig ist, die Pizza in den Ofen vom Brett rutschen zu lassen. Entweder weil ich das echt nicht drauf habe oder weil alles verzögert in meinem Hirn ankommt. Die Pizza schmeckt genial und intensiv. Merlin hat Glück, dass er noch Tee bekommt. Wir stehen in der Küche und es fühlt sich ein bisschen verrückt an. Dann bringen Marco und ich Merlin Set bei. Wir spielen, messen und mischen die Karten noch einmal. Für ein Spiel brauchen wir ca. zehn Minuten und obwohl ich fertig bin und auch bei Marco die Luft draußen ist, spielen wir immer noch eine weitere Runde und haben Spaß. Ich schnappe mir den letzten Teebeutel aus der Packung und koche Wasser auf. Die letzte Stunde des Experiments bricht an. Wir verbringen die Zeit mit Spielen.

Ein letztes Mal klingelt Marcos Wecker.

Wir messen pünktlich. Und in mir kommt ein Glücksgefühl auf. Euphorie. Aber nicht, weil es vorbei ist, das kann ich gar nicht richtig begreifen. Ich fühle mich ganz, ganz leicht. Marco holt sich eine Spezi. Ich trinke den Tee aus und packe zusammen. Merlin hat angeboten, mich nach Hause zu fahren. Wir verabschieden uns und ich verlasse die kleine Welt, die nicht geschlafen hat. Es regnet. Ich laufe in ganz normaler Geschwindigkeit, aber neben mir rennt Merlin vorbei zum Auto. Seine “normale” Laufgeschwindigkeit scheint eine andere zu sein. „Komm, schnell!“, ruft er mir halb über die Schulter zu, aber ich begreife das nicht so ganz. Ich kann es auch gar nicht. Der Regen macht mir jetzt auch gar nichts aus.

Wir tauchen durch die Nacht in einem Raumschiff.
Ungelenk umarme ich meinen Kommilitonen über die Mittelkonsole hinweg. Wir wünschen uns gegenseitig eine schöne Laborwoche und eine gute Nacht. Rückblickend weiß ich gar nicht mehr, wie ich den Heimweg alleine zu Fuß geschafft hätte, wenn Merlin mich nicht nach Hause gebracht hätte. Vielleicht hätte ich es geschafft, aber es dann nicht begreifen können, wie ich das überhaupt gemacht habe. Ich stolpere nach oben in die Wohnung. Mir ist warm und ich ziehe ein Top an. Kathi klingelt und überreicht mir einen Stern zum Umhängen als Belohnung dafür, dass ich es geschafft habe. Ich nehme alles ganz verzögert wahr und sie schickt mich auch gleich ins Bett. In der Küche schiebe ich mir eine Handvoll Dinkelherzen in den Mund, der Zucker treibt mich an und durch die Dusche, wo mir der Kreislauf mit dem warmen Wasser minimal absackt. Ich schaffe es zurück in die Küche und koche mir eine Tasse Tee. Als ich oben ins Bett falle, habe ich keinen klaren Gedanken.

Ich war 39 Stunden am Stück wach.

Sonntag

Sonst wecken mich die Kirchenglocken um sieben nicht. An diesem Sonntag schon. Meine Hände kribbeln so heftig, dass ich kurz Angst bekomme. Ich schlafe wieder ein und wache um 10:30 Uhr wieder auf.
Mein Rhythmus heute besteht aus Wäsche waschen und Serie schauen. Zwischendurch esse ich ein bisschen etwas. Ich fühle mich gut. Ein bisschen langsam, aber nicht vollkommen aus der Bahn. Als ich um 15:23 Uhr in der Küche stehe, trifft mich ein Lichtstrahl. Ich lasse alles stehen und liegen, schnappe mir meine Fleecejacke und renne nach draußen in die Gasse. Da ist sie. Die Sonne. Ich mache die Augen zu.

Für zehn Minuten bleibe ich genau so stehen.

Ich bin Alicia Link

Alicia Link

Name: Alicia Link

Alter: 23

Wohnort: Schwäbisch Gmünd

Beruf: Staatlich geprüfte Grafikdesignerin

Hauptcharakterzug: fröhlich hihi

Lieblingsschrift: nitti mono

Lieblingsfarbe: Regenbogen. (Also die Farbe ändert sich halt täglich)