Vom Traum des digitalen Lernens zur "Zwangszoomerei"?
Dem Dozenten vom Sofa aus zuhören und zwischendurch in der Küche einen Kaffee zubereiten: Für viele von uns ein Traum, der dieses Semester wahr geworden ist. Wie an vielen Hochschulen ersetzt derzeit auch an der HfG ein Video-Call die klassische Vorlesung – und ist oft der einzige Grund, sich die mittlerweile viel zu langen Haare mit Ansatz zu kämmen und zumindest obenrum etwas Ordentliches anzuziehen. Sieht so die Zukunft des Lehrens und Lernens an der HfG aus?
Einige Vorlesungsformate lassen sich einfach digital umsetzen, wie beispielsweise Vorträge mit geteilter Keynote. Fragen und Anmerkungen werden via Chatfunktion ausgetauscht und wenn es einen wieder einmal zu sehr müde gemacht hat, bereits den gesamten Vormittag vor dem Bildschirm zu sitzen, schaltet man die Kamera einfach ab und gönnt sich eine kurze Auszeit. Die hochschulinterne Kommunikation läuft seit diesem Semester weitestgehend über Slack und Dokumente werden über Google Drive zur Verfügung gestellt. Der Unterschied zu vielen anderen Hochschulen und Universitäten: An der HfG sind alle notwendigen Tools auf einer Onlineplattform organisiert, die mit einem individuell abgestimmten Vorlesungsplan und entsprechenden Einladungen zu Online-Vorlesungen das Leben für alle Studierenden einfacher macht. An dieser Stelle nochmals der Dank an alle, die vor und hinter den Kulissen die HfG in einem bemerkenswerten Tempo online gebracht haben!
Doch nicht immer können Tools den gestiegenen und gleichzeitig erschwerten Kommunikationsbedarf zufriedenstellend decken. Diskussionen während Vorlesungen und auch die Gruppenarbeiten und Projekte gestalten sich über Zoom schwieriger. So nehmen Dinge, die an sich schon kompliziert sind – zum Beispiel die Detailentscheidung über die richtige Farbe – aus der Ferne noch mehr Zeit in Anspruch und das gemeinsame Arbeiten in den Werkstätten der Hochschule muss irgendwie in das eigene WG-Zimmer verlagert werden.
Wie an vielen Hochschulen ersetzt derzeit auch an der HfG ein Video-Call die klassische Vorlesung – und ist oft der einzige Grund, sich die mittlerweile viel zu langen Haare mit Ansatz zu kämmen und zumindest obenrum etwas Ordentliches anzuziehen.
"Zwangszoomerei"
Dieser geniale Neologismus ist im Rahmen einer Diskussion zum Wandel am Arbeitsplatz im Fach Design- und Mediengeschichte entstanden.
Durch die Remote-Meetings verlagern sich die Arbeitsplätze und geben Einblicke in das Privatleben der anderen. Manches davon ist lustig und selten peinlich, anderes hingegen nervt einfach nur. Im Folgenden geben wir einen Abriss darüber, was derzeit in unseren Onlinevorlesungen abgeht:
Nachdem sich der Kurs – der eine Teil mit, der andere ohne Video – zur Vorlesung zugeschaltet hat und die unangenehme Stille des Wartens auf den Vorlesungsbeginn überstanden ist, folgt mindestens einer der schon fast existenziell wirkenden Fragen: “Könnt ihr mich hören?”, “Verstehen mich alle?”, “Könnt ihr meinen Bildschirm sehen?”. Dies bestätigen manche durch Nicken, manche mit einem Thumbs up und nur ganz selten sieht sich eine Person dazu ermuntert, es über das Mikrofon zu tun. Der Mann der Dozentin bringt – sich fälschlicherweise in Unsichtbarkeit wägend – noch schnell einen Kaffee vorbei, bevor die Vorlesung tatsächlich startet. Parallel zum Unterricht finden zahlreiche Unterhaltungen via Chatfunktion statt, wodurch – wenn nicht penibel auf den Modus geachtet – unangemessene Bemerkungen für alle sichtbar im Gruppenchat landen und den Betroffenen in Erklärungsnot bringen. Dies stellt das digitale Pendant zu der früheren Situation dar, in der der Lehrer einen geheimen Zettel abfängt und laut vor der gesamten Klasse vorliest. Beides äußerst unangenehm für den Entlarvten! Wer solche Situationen entspannt genießen möchte, könnte auf die Idee kommen, sich gemütlich auf das Sofa zu setzen und gedankenverloren durch den Newsfeed auf Instagram scrollen, während das MacBook mit dem laufenden Zoom-Meeting auf dem Schoß liegt.
Plötzlich fragt der Dozent einen nach der Meinung, vor lauter Schreck rutscht das MacBook vom Schoß und da es so teuer war, wie sieben Monatsmieten, tut man alles, um es vor dem Aufprall auf dem Boden zu bewahren. Dabei kommt man auf die Tastatur, sendet eine kryptische Botschaft an alle und fängt an, sich eine Antwort aus der Nase zu ziehen, da man in Gedanken bei den süßen Katzenbabys und nicht etwa bei Design- und Mediengeschichte war. Noch während den spontan zusammengereimten Ausführungen, kommt der Hinweis: “Du hast dein Mikro gemuted. Wir hören nichts.” und du fühlst dich wie der letzte Depp. Eine Aussage wie: "Ich war auf stumm geschaltet, könnten Sie den Satz nochmals wiederholen?", wird dem ganzen wohl kaum abtun. Selbstverständlich ist es auch nicht sonderlich angenehm, wenn man vergessen hat, sein Mikrofon auszustellen und dann den Dozenten unterbricht, da der Freund im Hintergrund meint, seinen Frust darüber kundtun zu müssen, einfach keine schönen Herrenschuhe zu finden. Die Lernkurve des einen ist die Unterhaltung der anderen. Zum Abschluss der mehr oder weniger lehrreichen Stunde folgt noch der klassische Running Gag, den jeder Dozent mindestens einmal bringt: "Ihr seht ja gerade diesen langweiligen Hintergrund mit einem Kachelofen und einer weißen Wand. Das ist eigentlich alles nur Tarnung, denn eigentlich befinde ich mich gerade hier!“ [Dozent schaltet auf den virtuellen, animierten Palmenhintergrund & freut sich wie ein Schneekönig].
Jetzt aber ein bisschen ernsthafter: Was können wir Gestalter aus dieser Zeit mitnehmen? Digitalisierung hat durch Corona einen richtigen Boost bekommen. Meetings, Lehrveranstaltungen und Spieleabende finden gerade fast alle online statt. Aber jeder von uns hat festgestellt, dass die Überdosis auf Dauer anstrengend ist. Wir erleben am eigenen Leib, dass wir persönliche Kontakte und den normalen Studentenalltag vermissen. Man muss eine Balance zwischen Digitalisierung und Zwischenmenschlichkeit finden. Bei zukünftigen Projekten sollten wir dies nicht aus den Augen verlieren.
Letztendlich wünschen wir uns alle nur eins: Dass wir uns so bald wie möglich wieder auf den Gängen der HfG begegnen können!
Wir erleben am eigenen Leib, dass wir persönliche Kontakte und den normalen Studentenalltag vermissen. Man muss eine Balance zwischen Zwischenmenschlichkeit und Digitalisierung finden.