Pinky Gloves: Warum Kritik so wichtig ist
Zwei Männer entwickeln ein Produkt, das hauptsächlich für Frauen gedacht ist. Was erst einmal wenig problematisch klingt, führt in einigen Fällen zu umstrittenen Situationen. So auch bei Eugen R. und André R. Diesmal sind das Ergebnis die Pinky Gloves: Perioden-Handschuhe. Mit ihnen soll eine menstruierende Person ihren Tampon hygienisch entfernen, einwickeln und schließlich mit einer Klebelasche verschließen können. Klischeehaft in Pink. Praktisch und diskret sei das Ganze angeblich auf schmutzigen, öffentlichen Toiletten oder beispielsweise beim Campen.
Dieses Produkt präsentierten Eugen und André in der VOX-Fernsehsendung Höhle der Löwen, in der Hoffnung, InvestorInnen für sich zu gewinnen. Die beiden erhielten daraufhin ein Angebot von zwei weiteren Männern, eines davon nahmen sie an.
Nun sind wir also inzwischen bei drei Männern, die sich mit einem Periodenprodukt beschäftigen. Auffällig ist hierbei, dass bei der Firma und dem Produkt selbst keine einzige menstruierende Person beteiligt war. Dabei ist es bei jedem Produkt von zentraler Bedeutung, seine Zielgruppe mit einzubeziehen und auf die Bedürfnisse und Wünsche dieser einzugehen. Es war demnach abzusehen, dass schnell kritische Stimmen laut werden würden, die diesen sowie weitere Aspekte zu bemängeln haben.
Höhle der Löwen: Eine Show, in der man seine Geschäftsidee pitchen und einen dazu passenden InvestorInnen und MentorInnen finden kann.
Des Weiteren ist der Mehrheit der Reaktionen aus den sozialen Netzwerken zu entnehmen, dass die Fridays-for-Future-Generation gegenüber Einwegprodukten ziemlich abgeneigt ist. Denn auch die Nachhaltigkeit der Pinky Gloves lässt zu wünschen übrig. Man muss bedenken, dass zum hygienischen Einführen eines neuen Tampons auch noch ein weiterer Pinky Glove notwendig wäre – im alten befindet sich schließlich der blutige Tampon. Man benötigt also zwei Handschuhe für einen einfachen Tamponwechsel. Zwar sind die Handschuhe aus einem recyclebaren Material gefertigt, dennoch verschwinden sie wegen des Tampons im Restmüll.
Außerdem ist da auch noch der Name der Produktes selbst: Pinky Gloves. Verpackt in einer pink-schwarzen Schachtel mit pinkem Herz. Die Gestaltung basiert vollkommen auf Klischees, die eigentlich überholt sein sollten.
Weitere Kritik verurteilt Aussagen der Gründer, die das Produkt entwickelten. Auslöser für die Idee der Pinky Gloves sei nämlich der verwunderliche und abstoßende Anblick von benutzten Tampons in Badezimmermülleimern. Die Gründer sind also bei der Entwicklung des Produkts von ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen ausgegangen. Aus diesem anderen Blickwinkel ist es fast unmöglich, zu sagen, ob die Zielgruppe der menstruierenden Personen dies ebenso sehen würde. Das führt zu einem klassischen Fall von Period-Shaming, der dazu führt, dass die Periode, ein komplett normaler und natürlicher Vorgang, weiter tabuisiert wird.
Man muss bedenken, dass zum hygienischen Einführen eines neuen Tampons auch noch ein weiterer Pinky Glove notwendig wäre – im Alten befindet sich schließlich der blutige Tampon. Man benötigt also zwei Handschuhe für einen einfachen Tamponwechsel.
by
Antonia Götz
Doch es fehlt ein weiterer Punkt: die Kosten. Gerade erst ist die Luxussteuer auf Tampons aufgehoben worden, da kommen die Pinky Gloves um die Ecke, mit einem stolzen Preis von drei Euro pro Packung mit zwölf Handschuhen. Vermutlich war dies ein zusätzlicher Aspekt, weshalb sich das Produkt nicht lange auf dem Markt halten konnte, denn etwa eine Woche nach dem TV-Debüt wurde der Verkauf wieder eingestellt.
Das zeigt: Vor allem in der Social-Media-Ära ist Kritik ein machtvolles Instrument. Es kann viel Gutes bewirken und Recht schaffen, aber auch großen Schaden anrichten. Kritik kann sich vor allem in sozialen Netzwerken schnell hochschaukeln, ausarten und sehr gefährlich werden.
Manch einem oder einer ist die Firma ooia vielleicht ein Begriff. Man kennt ihre zwei Gründerinnen Kristine und Kati ebenfalls aus der Höhle der Löwen. Dort stellten sie selbst vor wenigen Jahren Periodenunterwäsche vor, die ooia inzwischen erfolgreich verkauft. Doch damals in der Höhle der Löwen gingen die beiden leer aus, sie mussten sich selbst zum Erfolg verhelfen.
In einem IGTV ließen die zwei kurz nach dem Eklat um die Pinky Gloves ihrem Frust freien Lauf. Sie zeigten sich schockiert, dass ein von zwei Herren hergestelltes Periodenprodukt eine Investment-Chance von einem weiteren Mann erhält. Prinzipiell sahen sie es zwar positiv, dass die zwei Männer offen über das Thema reden können und das Tabu-Thema Teil einer Primetime-Sendung war. Dennoch brachten sie einige problematische Aspekte auf den Punkt, die schon zuvor erläutert wurden: Der Umweltfaktor, der klischeebehaftete Name und der überteuerte Preis.
Außerdem kritisierten sie, dass die zwei Männer versuchen, ein Problem zu lösen, das die meisten menstruierenden Personen nie als Problem empfinden würden. Das eigentliche Problem sei nämlich, dass einige Männer die Periode der Frau, und die damit verbundenen blutigen Tampons und Binden im Mülleimer, als ekelerregend betrachten. Deswegen sollte auch hier bei der Ursache des „Problems“ angesetzt werden und nicht bei den menstruierenden Personen. Für Menstruierende ist die Periode und alles Dazugehörige ein allmonatlicher Begleiter.
Zudem wird durch das Produkt suggeriert, es handele sich bei der Menstruation um etwas „Unreines“ und „Unhygienisches“, das unbedingt versteckt werden muss – selbst im Mülleimer.
Kristine und Kati fassen zusammen, dass sie es bedauerlich finden, damals kein Investment für ihr Periodenprodukt bekommen zu haben, aber stattdessen Eugen und André die Möglichkeit gewährt wurde. Denn die beiden Frauen entwickeln und verkaufen mit ihrem Unternehmen ooia Periodenprodukte nutzerzentriert, von und für menstruierende Menschen.
Das eigentliche Problem sei nämlich, dass einige Männer die Periode der Frau, und die damit verbundenen blutigen Tampons und Binden im Mülleimer, als ekelerregend betrachten.
Eine Stellungnahme von den Gründern und ihrem Investor Ralf D. wurde schnell veröffentlicht. In dieser gaben sie zu, dass „... es ernstzunehmende Kritikpunkte gibt, derer wir uns einfach nicht bewusst waren, obwohl wir es hätten sein müssen. Wir haben uns nicht ausreichend und richtig mit dem Thema auseinandergesetzt. Das war ein großer Fehler.“ Sie berichten auch davon, dass es gut sei, welche Aufmerksamkeit das Thema Periode dadurch bekommen habe. Und, dass sie sich der Kritik aussetzen wollen, dass man aber bitte Hate-Speech, Bedrohungen und nicht sachliche Kritik unterlassen solle.
Wir befürworten den Inhalt dieser Stellungnahme. Es ist bedenklich, dass aufgrund der Anonymität in den sozialen Medien, oftmals alles direkt in Hass umkippt und dass es in der aktuellen Debattenkultur eher um Bestrafung als um die eigentlichen Fehler geht. Denn Kritik kann extrem hilfreiche und wertvoll sein, wenn sie richtig ausgeübt wird.
Hier kommen wir zum eigentlichen Problem der Debatte um Pinky Gate. Denn hier wurde viel Kritik definitiv nicht richtig ausgeübt. Statt auf konstruktive Kritik zu setzen und den Gründern von Pinky Gloves klar zu machen, wo die Probleme des Produkts liegen, wurden die zwei Gründer von einem immensen Shitstorm überrollt. Zahlreiche UserInnen überfluteten die Social-Media-Kanäle des Unternehmens mit Hasskommentaren und Bedrohungen.
Eugen R. und André R. zeigten sich schockiert über den ihrer Ansicht nach unverhältnismäßigen Shitstorm. In ihrer letzten Stellungnahme auf Instagram, bevor sie ihren gesamten Content löschten, gaben die zwei bekannt, die gesamten Produktions-, Einkaufs- und Vertriebsaktivitäten einzustellen. Zudem berichteten sie über erhaltene Androhungen von Gewalt, teilweise sogar von Mord. Doch nicht nur sie wurden Opfer des Shitstorms, auch ihre Familien wurden im Internet massiv beleidigt. Des Weiteren wurden die Gründer teilweise auf offener Straße angegriffen und beschimpft.
Sogar die zwei Gründer geben zu, dass sie bei ihrem Produkt Pinky Gloves Fehler in Sachen Nachhaltigkeit sowie Stereotypen begangen haben. Man kann das Produkt zurecht sogar mir Periodshaming und Sexismus in Verbindung bringen. Aber Morddrohungen gehen eindeutig zu weit. So viel Hass um einen pinken Handschuh, genau diese Art von Kritik bringt niemanden weiter. Kritik sollte konstruktiv bleiben und nicht in Hass ausarten. Denn Hass schadet nur.
Durch Social Media scheint es, dass eine gesunde Fehlerkultur mehr und mehr verloren geht und niemandem mehr der Raum für Fehler oder Wachstum zugestanden wird. Kritische Produkte polarisieren oft sehr stark. Und gerade weil auf Social Media die Möglichkeit besteht, scheinbar anonym seine Meinung dazu abzugeben, bestärken sich diese Menschen gegenseitig in ihrer Ablehnung und ihrem Frust und anfängliche Kritik schaukelt sich oft zum Shitstorm hoch.
Zudem berichteten sie über erhaltene Androhungen von Gewalt, teilweise sogar von Mord. Doch nicht nur sie wurden Opfer des Shitstorms, auch ihre Familien wurden im Internet massiv beleidigt.
by
Lena Kächele
Doch jetzt zu etwas Erfreulicherem: Auf das viral gegangene #pinkygate wurde von vielen Seiten auch mit Humor reagiert. So postete beispielsweise Fisherman’s Friend auf Twitter ein Bild, auf dem der pinke Handschuh zusammen mit einer leeren Fisherman’s Friends Packung zu sehen ist. Begleitet wurde das Bild von der ironischen Caption „Für eine diskrete und hygienische Entsorgung leerer Fisherman’s Friend Packungen!“. Auch Ikea wandelte den Eklat um die Pinky Gloves in Werbung zu deren Gunsten. Der Möbelkonzern postete ein Bild eines Mülleimers und schrieb dazu: „Ablage für Erfindungen, die keiner braucht. Und das Beste: Er lässt sich sogar ganz ohne Handschuhe bedienen.“
Das ist eine wesentlich bessere Methode, Eugen R. und André R. sein Missfallen am Produkt zu zeigen. Noch besser ist allerdings die Kritik in Form der Stellungnahme von beispielsweise Kristine und Kathi von ooia. Die beiden formulierten umfangreiche, konstruktive Kritik. Kritik ist im Idealfall zielgerichtet – Hasskommentare haben noch niemandem weitergeholfen.
Aus dieser Story lässt sich einiges mitnehmen. Zwei Dinge sind dabei besonders wichtig.
Zum einen ist es enorm wichtig, Kritik auszuüben und seine Meinung auszudrücken. Aber dabei sollte man stets konstruktiv und sachlich bleiben und sich nicht von negativen Emotionen leiten lassen.
Zum anderen ist auch das Erkunden nach den Meinungen anderer im Design essentiell, da diese Designkonzepte und ‑produkte weiterbringen. Denn wenn wir es schaffen, Kritik als Instrument zum Weiterkommen zu verstehen, können wir in Zukunft bessere Projekte und Produkte realisieren und die weniger sinnvollen Projekte schnell abschließen und vermeiden.